Den neuen Gemeinderat werden die Neugestaltung des Bahnhofareals und die damit verbundenen Auswirkungen auch in der Bahnhofstraße noch einige Jahre beschäftigen. Mehr als die Hälfte des Gemeinderates wurde vor drei Monaten neu gewählt und hatte nach einer zwischenzeitlichen Informationsveranstaltung nun einige Wochen Gelegenheit, sich eine qualifizierte Meinung zu diesem komplexen Thema zu bilden. Dies gilt auch für unsere komplette Fraktion. Wir sehen nach reiflicher Überlegung angesichts der Bedeutung und Tragweite der zu treffenden Entscheidungen die dringende Notwendigkeit zum Informationsaustausch im Gemeinderat.
Unsere Kritikpunkte und Vorschläge
Flächennutzung, Wohnraum-und Baukörpergestaltung
1.) In den drei einzelnen Wohnhäusern ist kein Aufzug vorgesehen und somit ist keine Barrierefreiheit gegeben. Im Hinblick auf die alternde Bevölkerung und auch die Chancengleichheit der Menschen mit Handicap geben wir als Gemeinde damit ein schlechtes Vorbild ab. (Siehe Punkt 2).
2.) Durch die drei Lücken zwischen den Baukörpern gehen 25 % Wohnfläche verloren. Gemessen an der Bebauung an der Bahnhofstraße könnte die Bebauung ein oder sogar zwei Stockwerke höher sein. Damit würde insgesamt bis zu mehr als die doppelte Wohnfläche erzielt werden. Die Schaffung von Wohnraum stand bei allen Parteien vor kurzem erst im Wahlprogramm. Das oft gehörte Argument, es solle nicht der Blick auf Maria Eich verbaut werden, leuchtet uns nicht ein, weil auch der jetzige Entwurf nur einen sehr eingeschränkten Blick auf den Wald erlaubt. Wenn wir Wohnraum schaffen und gleichzeitig den Flächenverbrauch begrenzen wollen, müssen wir höher bauen!
3.) Um den verschiedenen Wohnbedürfnissen möglichst gerecht zu werden, wäre eine Systembauweise sinnvoll, die variabel auf den Bedarf an Wohnfläche angepasst ist. Dies würde bedeuten, dass beispielsweise aus 2 kleinen Wohnungen eine große gemacht werden kann. Auch bei einem langgestreckten Baukörper ist eine ansprechende und abwechslungsreiche Fassadengestaltung möglich. Es gibt gute Beispiele!
4.) Die Baulücken zwischen den Häusern stellen Schallpforten dar. Diese tragen den Schienenverkehrslärm in den Ort hinein.
Bauweise
Eine Hybridbauweise würde sich anbieten, mit Verwendung von Beton zur Schienenseite (besserer Schallschutz) und zur Bahnhofstraße in Holz. Die Holzbauweise ist ökologisch und nachhaltig. Wir als Kommune sollten hier auch unsere Vorbildfunktion wahrnehmen (Siehe auch derzeitig geplante Erweiterung des Feodor-Lynen-Gymnasiums). Der Gebäudesektor beansprucht etwa 50 % des Gesamtenergieverbrauchs und der verarbeiten Rohstoffe in Deutschland, und produziert ebenso viel Abfall. Man könnte ein Gebäude schaffen, dass in puncto Energieverbrauch, Optik, Wohnklima und Klimaschutz zeitgerecht und vorbildlich ist.
Fassadengestaltung
Um eine ansprechende Fassadengestaltung zu erreichen, schlagen wir eine Fassadenbegrünung vor. Dieses gestalterische Stilelement weist wertvolle ökologische Qualitäten auf. Eine Fassadenbegrünung wirkt wie eine Klimaanlage, bietet zusätzlichen Schallschutz und bindet Luftschadstoffe wie Feinstaub. Für die Westfassade (Bahnseite) wären eingehängte Pflanztröge Wetter-und Schallschutz.
München fördert begrünte Fassaden, Wien macht Fassadenbegrünung teilweise bei Neubauten zur Pflicht. Planegg sollte hier ebenfalls mit der Zeit gehen.
Ein Baukörper kann durch diverse Stilelemente wie Glas, Vor-und Rücksprünge, Balkone, Fassadenbegrünung interessant und abwechslungsreich gestaltet werden – somit kann auch ein massiver Baukörper (ohne die drei Lücken) ästhetisch ansprechend sein!
Dachnutzung
Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen (Wohnungsknappheit, Flächenverbrauch, Klimawandel) sollten Dächer kein verschenkter Platz sein, sondern sinnvoll genutzt werden. Ein begrüntes Flachdach hat ökologisch und wohnklimatisch große Vorteile. Eine Attika ermöglicht die sichtgeschützte Aufstellung von Photovoltaikmodulen. Begrünung und Photovoltaik können auch miteinander kombiniert werden. Die Münchner Gestaltungs- und Begrünungssatzung sieht flächige und dauerhafte Begrünung für Dachflächen ab insgesamt 100 qm vor.
Jede Art von Bepflanzung oder grüner Technologie, egal ob horizontal oder vertikal, ist ein ökologischer Gewinn und wird angesichts des Klimawandels immer wichtiger. Planegg könnte mit einem energieneutralen Gebäude oder sogar einem Plus-Energiehaus, ähnlich wie Ebersberg, ein Zeichen setzen.
Bahnhofsvorplatz
Ein Bahnhof sollte teilweise überdacht sein, so dass der Weg vom Busbahnhof zum Schienenverkehr wettergeschützt ist. Es sollte auch mehr Platz für Bäume geschaffen werden als derzeit vorgesehen ist. Aufgrund des Klimawandels müssen der öffentliche Raum und die Städte hitzeangepasst umgebaut werden. Laut einer aktuellen Studie französischer Klimaexperten kann die Temperatur in Städten mit Grünflächen und Bäumen drastisch gesenkt werden: Bei 10% weniger Beton (wie z.B. für Parkplätze) sinkt die Temperatur um 3 Grad.
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-08/frankreich-hitze-klima-brunnen-fahrverbot-sozialarbeit
Zur Reduzierung des Hitzeinseleffekts auf dem Bahnhofsareal sind Bäume sowie horizontale und vertikale Begrünung der Gebäude mit ihrem großen Kühlpotenzial von zentraler Bedeutung.
Parkraum
Es sollte mehr unterirdischer Parkraum geschaffen werden. Ein Ansatz wäre gemeinsam mit Familie Heide eine Lösung zu schaffen, die für die Gemeinde und Familie Heide attraktiv ist. Dies würde sich vorteilhaft auf die Ästhetik des Bahnhofsplatzes auswirken und den Hitzeinseleffekt weiter reduzieren.
Verkehrskonzept
Bahnhof und Supermarkt ziehen Verkehr an! Im Wahlprogramm haben wir alle für eine verkehrsberuhigte Bahnhofstraße plädiert. Fest steht: Es braucht ein ganzheitliches Verkehrskonzept für den Bahnhof und die Bahnhofstraße! Um die Bahnhofstraße nicht mit mehr Verkehr zu belasten, sondern zu entlasten, wäre es eine Variante, den Verkehr von der Germeringer Str. über eine neue Straße parallel zur Ostseite der Gleise zum Bahnhof und über die Hofmarkstraße zurückzuführen. Eine Alternative wäre eine Untertunnellung mit Verkehrsführung von und zur Germeringer Straße entlang der Westseite der Bahn. Beide Varianten eröffnen Optionen für eine Umgestaltung der Bahnhofstraße.
Bauträger
Nachdem an der Baugesellschaft München Land immer wieder wegen Baumängeln Kritik aufgekommen ist, schlagen wir eine Überprüfung der wesentlichen Bauabschnitte (Rohbau, Endabnahme, Gutachter) durch unabhängige Sachverständige wie zum Beispiel TÜV Süd vor, oder die Bauabteilug des Rathauses übernimmt die Kontrollfunktion.
Beschlussantrag
Der neugestaltete S-Bahnhof Planegg sollte ein zukunftsgerechtes Wahrzeichen für unseren Ort sein. Die derzeitige Planung des Areals orientiert sich unseres Erachtens nicht an den ökologischen und sozialen Zielen, denen sich alle Parteien und Gruppierungen des Gemeinderates in ihren Wahlprogrammen verpflichtet haben. Daher stellt die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag auf eine gründliche Aussprache im Gemeinderat über das Projekt Bahnhofsareal/Bahnhofstraße. Wir haben diesem Antrag mit unseren Kritikpunkten und Vorschlägen ausführlich begründet und hoffen auf eine angeregte und konstruktive Diskussion.
Wir sehen dieses Projekt, auf gemeindeeigenem Grund, als einzigartige gestalterische Chance!
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Judith Grimme, Dr. Jürgen Peters, Hannah Betz, Bastian Stibbe
https://www.merkur.de/lokales/wuermtal/planegg-ort29296/gruene-stellen-planung-infrage-13866986.html
Aktualisierter Beschlussantrag:
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