Energiewende in der Gemeinde – (2/4) Elektrizitätswende

Die Stromversorgung verursacht bundesweit mit 40 % den größten Anteil an CO2-Emissionen (1)

Der Einsatz von erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung ist auch deshalb besonders wichtig, weil bei der Stromerzeugung in Kraftwerken aus fossilen Brennstoffen wegen der großen Wärmeverluste das bis zu Dreifache an Primärenergie benötigt wird und bei fossilen Quellen auch entsprechend mehr CO2 und Feinstaub emittiert werden. Mit 401 g pro kWh (2019) (2) liegt die CO2-Bilanz des deutschen Strommixes, bedingt durch den durchschnittlichen Kraftwerkwirkungsgrad, weit höher als bei der ebenfalls in Kraftwerken erfolgenden Fernwärmeerzeugung (160 g/kWh). Obwohl die spezifische CO2-Emission der Stromerzeugung seit 1990 bereits halbiert worden ist, stellt klassische Stromerzeugung in Großkraftwerken also immer noch eine große Energieverschwendung und CO2 -Belastung dar.

Derzeit liegt der Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromversorgung der Gemeinde bei etwa 1% (ausschließlich Strom aus Photovoltaik). Der bayrische Durchschnitt für den Anteil aus Photovoltaik an der Bruttostromerzeugung lag 2019 bei 16,1 % (3). Da die Bedingungen für Photovoltaik in Südbayern besonders günstig sind, besteht hier also für unsere Gemeinde ein großes Ausbaupotential.

1. Photovoltaik

Die emissionsfreie Umwandlung von in der Natur im Überfluss vorhandenen erneuerbaren Energieformen in elektrische Energie ist der Schlüssel zur Decabonisierung der Biosphäre und damit zur Erreichung der Klimaziele, die erst vor kurzem wieder strenger gefasst wurden. Das Potential an erneuerbaren Energien variiert geographisch. Unsere Gemeinde ist vor allem mit reichlich Sonnenenergie gesegnet und liegt im Bereich der höchsten jährlichen Globalstrahlung in Deutschland von fast 1200 kWh/m2 (4). Die auf die Gemeindefläche jährlich einfallende Globalstrahlung von etwa 13,5 Milliarden kWh entspricht dem Stromverbrauch von etwa 4 Millionen Haushalten. Die Versorgung aller Haushalte der Gemeinde mit Strom könnte durch Photovoltaik theoretisch auf 1,8 % der Gemeindefläche bewerkstelligt werden. Dachflächen machen etwa 27 % der Gemeindefläche aus. Konservativ geschätzt mindestens ein Viertel davon wäre als Photovoltaik-Fläche nutzbar. Knapp 15% der Gemeindefläche sind Freiflächen, die theoretisch ebenfalls für Photovoltaik in Betracht kommen (Zur Datengrundlage siehe Ref. 5).

Diverse Studien veranschlagen perspektivisch einen Beitrag der gebäudegebundenen Photovoltaik in Deutschland von 50-75% zum gesamten PV-Energieertrag. Der Rest kommt von Freiflächen-PV.

Energie aus Photovoltaik verursacht mittlerweile mit 3,7 cent/kWh Gestehungskosten für Freiflächen-PV in einer top-geeigneten Region wie unserer die geringsten Gestehungskosten aller Energien, einschließlich der fossilen, Tendenz sinkend. Für 2035 wird ein Absinken auf 2,1 Cent/kWh prognostiziert (6). Für kleine Dachanlagen liegen die Gestehungskosten hier bei etwa 7 cent/kWh, etwa 22% des Marktpreises. Durch die in den letzten 10 Jahren um 70% gesunkenen Preise für PV – Module und Batteriespeicher ist Photovoltaik ausgesprochen lukrativ.

Für Photovoltaik gibt es inzwischen kreative Lösungen zur Nutzung von Flächen, wie Anlagen als Überdachung von Parkplätzen oder, besonders platzsparend, vertikal orientierte PV-Module an Autobahnen, in der Agriphotovoltaik oder als Solarzaun. Das Leibniz-Institut für Ökonomische Raimentwicklung hat zusammen mit Wissenschshaftlern vom Fraunhofer ISE und der TU München 53 Millionen Gebäude in Deutschland im Modell untersucht und ermittelt, dass die gesamte für Fassaden-PV geeignete Fläche doppelt so groß ist wie die Dachfläche, nämlich 12.000 Quadratkilometer, was der Hälfte des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern entspricht (7). Dabei sind entsprechende PV-Fassadenplatten optisch nicht oder kaum als solche zu erkennen.

 

1.2 Windenergie

Windenergie ist neben Solarenergie die wichtigste erneuerbare Energiequelle für die Energiewende. ( Siehe hierzu auch unseren Artikel)

https://gruene-planegg.de/2021/04/06/bayrische-windoffensive-aufwind-windkraft-fuer-die-energiewende/

Eine Ergänzung der Photovoltaik durch Windkraftanlagen wäre wünschenswert, da Wind auch nachts und im Winter weht und der Energiefluss weniger stark fluktuiert. Zwar ist bei der Windenergie der Norden Deutschlands klar begünstigt. Untersuchungen im Raum südlich von München haben aber gezeigt, dass mit modernen Anlagen die „Windhöffigkeit“, also das Windaufkommen auch hier ausreichend ist. Allerdings genießt die Windkraft bislang in der Bevölkerung allgemein deutlich weniger Akzeptanz als die Photovoltaik. Der Prozess von der Planung bis zur Errichtung einer Anlage ist auch deshalb wesentlich langwieriger. Insgesamt hat Strom aus Onshore-Windkraft zusammen mit Strom aus Photovoltaik die geringsten Gestehungskosten aller Energien inclusive der fossilen. So wie Photovoltaik sowohl auf Freiflächen im Hektarmaßstab als auch auf Dächern im Quadratmetermaßstab errichtet werden kann, so gibt es auch für die Windenergie mittlerweile Kleinlösungen. So sind in den Niederlanden schon sogenannte „Windtulpen“ im Einsatz, deren Rotoren die Form einer Tulpenblüte (8) haben. Eine Firma in Ottobrunn bietet Kleinwindkraftanlagen in Form einer Helix an (9). Diese Anlagen sin nur 3-4 m hoch.

 

1.3. Wasserstoffspeicherung (Power-to-Gas, PtG)

Die im Tag-Nachtrhythmus und saisonal schwankende Energieausbeute aus Photovoltaik erfordert die Speicherfähigkeit elektrischer Energie. Windenenergie fluktuiert weniger stark und ist als zweiter Eckpfeiler der Versorgung mit erneuerbaren Energien vorgesehen. Verzögert sich der Ausbau der Windkraftnutzung, etwa durch Widerstände in der Gesellschaft und politische Hemnisse, ist der Speicherbedarf besonders hoch.

Batteriespeicher benötigen wegen ihrer geringen Energiedichte viel Platz und sind ressourcenintensiv. Dies ist auch ein Grundproblem in der Elektromobilität. Batterie-Großspeicher wie der jetzt in Kalifornien errichtete 1 GWh-Speicher benötigen etwa 7 Fußballfelder Platz. Wasserstoff in Druckbehältern (700 bar) benötigt nur ein 1/60 davon: Ein saisonaler Wasserstoff-Großspeicher könnte die gleiche Menge Energie auf rund 30×30 m speichern. Durch die designierte Rolle von Grünem Wasserstoff als Schlüsselelement der Energiewende und durch einen zukünftig sehr hohen Bedarf kommt der Elektrizitätserzeugung mit erneuerbaren Energien eine zusätzlich wachsende Bedeutung zu.

Siehe hierzu auch unseren Artikel https://gruene-planegg.de/2021/02/16/wasserstoff-schluesselelement-fuer-energiewende-und-klimaschutz/

In der Wasserstoff-Roadmap (10) schreibt das Fraunhofer ISE, es „wird jetzt zunehmend deutlich, dass Wasserstoff und dessen weitere Syntheseprodukte eine zentrale Rolle zur Treibhausgasneutralität aller energieverbrauchenden Sektoren wie bspw. Verkehr, Industrie und Gebäude einnehmen werden. Wasserstoff erfährt neben der direkten Nutzung in den verschiedenen Anwendungsgebieten durch seine hohe Speicher- und Transportierbarkeit auch eine zunehmende Bedeutung für die Systemintegration von erneuerbaren Energien.“

Das schnelle Hochfahren der Wasserstofftechnologie wird allgemein als äußerst wichtig angesehen, weil es der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Energiewende ist und weil nur so der Preis von Grünem Wasserstoff als entscheidendes Wettbewerbskriterium schnell sinken kann (10,11).

Da die direkte Stromnutzung mit Abstand die effizienteste aller energieverbrauchenden Technologien ist und daher auch primär für diese Zwecke genutzt wird, müssen möglichst schnell Überschüsse an Grünem Wasserstoff erzeugt werden, um weniger energieeffiziente, aber emissionsfreie Anwendungen in der Sektorkopplung wirtschaftlich zu betreiben.

1.4. H2-Brennstoffzelle

In der Wasserstoff-Brennstoffzelle findet die Unkehrung der Elektrolyse statt, also die Verbrennung von H2 mit O2 zu H2O. Die Brennstoffzelle erzeugt Strom und Wärme, die nach Art eines Blockheizkraftwerks genutzt werden können. Sie ist somit ein Bindeglied zwischen Elektrizitäts- und Wärmesektor sowie Elektrizitäts- und Mobilitätssektor.

Die H2 -Brennstoffzelle nimmt in den Szenarien des Fraunhofer ISE für die Entwicklung der Gebäudewärme  von 2020 bis 2050 (12) den dritten Platz hinter der Wärmepumpe und Wärmenetzen ein. Im Beharrungsszenario des Fraunhofer ISE liegt diese Technologie bis 2050 sogar nur knapp hinter der Wärmepumpe und den Wärmenetzen. Da im Gasnetz dann neben Biogas verstärkt Wasserstoff oder mit Wasserstoff klimaneutral erzeugtes Methan eingesetzt wird (13) und da zumindest lokale Wasserstoffnetze zukünftig realistisch sind, könnte die Brennstoffzellentechnologie auch im Sektor Gebäudewärme eine wichtige Rolle spielen.

Die Brennstoffzelle als Strom- und Wärmeerzeuger: Das energieautarke und emissionsfreie Haus

Wie Wasserstoff in ein komplettes Energieversorgungssystem eines Gebäudes eingebunden werden kann, zeigt das System Picea der Firma Home Power Solutions (14), das – noch – sehr teuer ist, das aber seit letzem Jahr in Serie produziert wird. Die schrankförmige Kompaktststation passt auf drei Quadratmeter.

Das energieautarke, emissionsfreie Haus – System PICEA

Strom aus Dach-PV wird durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und gespeichert. Sowohl durch Stromerzeugung in der Brennstoffzelle bei Bedarf als auch durch die Elektrolyse wird Abwärme erzeugt, die für Heizung und Wassererwärmung benutzt wird. Batteriespeicher, Wasserstoffspeicher und der – außerhalb der Station befindliche – Wasser-Pufferspeicher sorgen für eine Versorgung rund um die Uhr, unabhängig von tageszeitlichen und saisonalen Schwankunken.

Durch die Nutzung der Abwärme von Elektrolyse und Brennstoffzelle beträgt der gesamte Energienutzungsgrad 90%. Im Format der Anlage kann in Form von Wasserstoff das 100-Fache an Energie gespeichert werden wie in einem Batteriespeicher.

Dieses Beispiel zeigt, dass Strom aus erneuerbaren Energien sowohl hocheffizient als auch platzsparend den kompletten Energieverbrauch von Gebäuden abdecken kann.

Wasserstoff – und Brennstoffzellentechnologie entwickeln sich derzeit rasant. Durch deutliche Effizienzsteigerung und Skaleneffekte dürften im Gegensatz zu den Energiepreisen die Preise für Grünen Wasserstoff und Brennstoffzellen perspektivisch stark sinken.

1.5. Mobilitätswende

Im Verkehrssektor entstehen in Deutschkand 163 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr (15). Pro Kopf der Bevölkerung werden also rund 2 Tonnen CO2 emittiert, was einem Viertel der gesamten pro-Kopf CO2-Emissionen der Bevölkerung entspricht. Durch Elektrifizierung, entweder direkt über batteriebetriebene Fahrzeuge oder über mit grünem Wasserstoff/Brennstoffzellen angetriebene Fahrzeuge kann im Prinzip eine vollständige Decarbonisierung erreicht werden.

Der Gesamtwirkungsgrad „well-to-wheel“ (frei übersetzt: Quelle bis Antriebsrad) von Elektromobilität/H2-Brennstoffzelle/ Verbrenner ist 67%/27%/20% (16). In puncto Energieeffizienz ist E-Mobilität also weit führend. Der Wasserstoff fährt seine Verluste vor allem bei der Bereitstellung ein, die mehr energieverbrauchende Schritte erfordert als E-Mobilität, wie Elektrolyse und Kompression.

Im PKW-Verkehr hat der Batterieantrieb auch wegen seines technischen Entwicklungsvorsprunges klar die Nase vorn, bei großen und schweren Fahrzeugen bietet der Wasserstoffantrieb allerdings deutliche Reichweitenvorteile (siehe unseren Artikel https://gruene-planegg.de/2021/02/16/wasserstoff-schluesselelement-fuer-energiewende-und-klimaschutz/). Das Fraunhofer ISE sieht in seiner Wasserstoff-Roadmap (10) auf Grund einiger positiver Studien für H2-Brennstoffzellen-Pkw 2050 einen Marktanteil von 20%. In den aktuellen Szenarien für Mobilität werden für H2-Brennstoffzellen-PKW Marktanteile von 17-24% (18), für Lkw von 15-79% (19) gesehen. Die enorme Spannbreite bei Lkw zeigt, wie stark der Einfluss gesellschaftlicher und politischer Faktoren auf die Ausgestaltung der Energiewende ist.

Das Fraunhofer ISI (20) hat untersucht, welche Tankstelleninfrastruktur geschaffen werden müsste, um theoretisch den gesamten schweren Güterverkehr mit insgesamt 1,3 Mio Tonnen Wasserstoff zu versorgen und damit den Ausstoß von 50 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr, fast einem Drittel der gesamten Verkehrsemissionen, zu vermeiden. Auch im Mobilitätssektor ist es wichtig, dass die Kosten für Grünen Wasserstoff durch Effizienzsteigerung und Skalierung deutlich gesenkt werden.

In der Nationalen Wasserstoffstrategie (21) ist die Etablierung der gesamtem Wertschöpfungskette der Wasserstofftechnologie in Deutschland vorgesehen.

E-Fuels (Power-to-Liquid, PtL)

E-Fuels sind Kraftstoffe, die aus CO2 und H2 synthetisiert werden. Es sind den Kraftstoffen aus fossilen Quellen sehr ähnlich aufgebaute Kohlenwasserstoffe, die allerdings schwefelfrei und daher umweltfreundlicher sind. Wenn Grüner Wasserstoff in der Fischer-Tropsch-Synthese eingesetzt wird, sind diese Kraftstoffe klimaneutral, denn es wird bei der Synthese ebensoviel CO2 der Umwelt entnommen wie bei dessen Verbrennung wieder freigesetzt wird. Dies gilt auch für die Herstellung von Methanol, das sowohl direkt als Kraftstoff nutzbar ist als zur Synthese von Kohlenwasserstoff-Kraftstoffen Verwendung findet. Das Gebiet der E-Fuels steht erst am Anfang seiner Entwicklung.

Vorteile sind eine hohe Energiedichte, Speicher- und Transportfähigkeit mit einer Vielseitigkeit und mit Verbrennungseigenschaften, die es theoretisch erlauben, Kraftstoffe aus fossilen Quellen in allen möglichen Anwendungsgebieten zu ersetzen (22). Ein Nachteil sind die derzeit auf Grund der geringen Energieeffizienz noch sehr hohen Kosten. Allerdings kann z.B. in Saudi-Arabien inzwischen Strom schon für 1 Cent pro kWh erzeugt werden, und sehr große Elektrolysekapazitäten sind im arabischen Raum schon geplant. Synthetische flüssige Wasserstoffverbindungen bieten den Vorteil, dass sie in existierenden Infrastrukturen transportiert und auch nicht, wie Wasserstoff, mit Energieaufwand kompromiert werden und in druckbeständigen Behältnissen aufbewahrt werden müssen.

Das Fraunhofer ISE schreibt in seiner Wasserstoff-Roadmap (10), dass

 „Wasserstoff und dessen weitere Syntheseprodukte eine zentrale Rolle zur Treibhausgasneutralität aller energieverbrauchenden Sektoren wie bspw. Verkehr, Industrie und Gebäude einnehmen werden“.

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