Was wie ein Widerspruch in sich klingt, basiert auf dem physikalischen Effekt der Kristallisationswärme. Beim Gefrieren von Wasser lässt sich mit einem Wärmetauscher soviel Energie in Form von „versteckter“ Wärme (Fachausdruck: Latentwärme) entnehmen, wie man zum Erhitzen der gleichen Menge Wasser um 80°C benötigt. Das wird besser verständlich, wenn man bedenkt, dass bei der Umkehrung des Prozesses, dem Auftauen des Eises, wegen des Energieerhaltungssatzes die gleiche Menge Wärme zugeführt werden muss. Bei beiden Vorgängen bleibt die Temperatur konstant bei 0 °C und fällt bzw. steigt erst, wenn der Phasenübergang beendet ist.
Dieses Prinzip macht man sich beim Eisspeicher zunutze. Dies ist ein nicht isolierter Behälter der zwei Wärmetauscher in Form von spiraligen Kühlschlangen enthält. Die freiwerdende Gefrierwärme kann über den einen Wärmetauscher entnommen werden. Über den anderen kann Wärme zugeführt werden, um das Eis aufzutauen und den Speicher mit Wärmeenergie zu beladen.
Die bei der Vereisung dem Speicher entzogene Wärme wird einer Wärmepumpe zugeführt und von dieser auf Heizungsniveau gebracht. Über den zweiten Wärmetauscher kann der Eisspeicher regeneriert werden, indem ihm Umweltwärme aus Solar/Luft-Absorbern zugeführt wird, die sowohl Solarwärme als auch Umweltwärme aus der Außenluft aufnehmen können (siehe voriger Artikel).
Der Gefriervorgang kann beliebig oft wiederholt werden. Wird der Speicher auf einem Temperaturniveau nahe dem Nullpunkt betrieben, dann kann der Gefriervorgang möglichst oft genutzt werden.
Eisspeicher werden üblicherweise ca. 1 m unterhalb der Oberfläche im Erdreich vergraben. Sie haben nur einen kleinen Wartungsschacht, wodurch sie kaum Fläche verbrauchen. Eisspeicher benötigen nur etwa 1/8 soviel Platz wie Wasserspeicher gleicher Kapazität (1). Wegen ihres niedrigen Temperaturniveaus (0-25°C) sind sie im Sommer auch zur direkten Gebäudekühlung geeignet. Eisspeicher müssen nicht isoliert werden, weil bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt das Erdreich stets wärmer ist und dem Speicher daher langsam Wärme zuführt, die der Gesamtenergiebilanz zugute kommt. Da sie das Grundwasser nicht beeinträchtigen, bedürfen sie keiner umweltrechtlichen Genehmigung.
Prinzip der Eisspeicherheizung. In dieser Abbildung wurden PV und Solarthermie mit Kombimodulen dargestellt (siehe voriger Artikel). Bei den im Text vorgestellten zwei Beispielen sind PV-Module und Solar/Luftabsorber getrennt angeordnet. Der Einfachheit halber ist nur der jeweilige Wärmefluss (Vorlauf) und nicht der Rückfluss dargestellt. Der Wärmefluss im Kühlmodus ist ebenfalls nicht abgebildet
(A) Bei direkter Solareinstrahlung wird der Pufferspeicher direkt angesteuert.
(B) Bei moderater Wärmeaufnahme, dem häufigsten Fall, wird entweder die Wärmepumpe angesteuert, oder
(C) Dem Eisspeicher wird Wärme zur Speicherung oder Regeneration zugeführt.
(D) Wird dem Eisspeicher Wärme entzogen, gefriert das darin enthaltene Wasser und gibt am Gefrierpunkt viel weitere Wärme ab. Die Wärmepumpe kann über einen weiten Quelltemperaturbereich nutzbare Wärme bereitstellen.
(E) Erdwärme führt dem Speicher Energie zu, wenn dessen Temperatur unter der des umgebenden Erdreichs liegt. Das ist überwiegend der Fall, weshalb der Speicher nicht isoliert ist.
(F) Sollte die vom System bereigestellte Wärme an besonders kalten Tagen nicht ausreichen, kann der Pufferspeicher mit einem Heizstab oder einer anderen Wärmequelle die nötige zusätzliche Energie erhalten.
In einer Technologiestudie von EnergieSchweiz, Bern ( 1 ) sind die diversen Arbeitsmodi eines derartigen eisspeichergestützten Systems mit anschaulicher und instruktiver Dokumentation beschrieben.
Die Eisspeichertechnologie ist ausgereift und seit rund 10 Jahren vielfach bewährt. Auf Grund der genannten Vorteile ist sie vom Einfamilienhaus bis zum großen Gewerbebetrieb oder zu einem ganzen Wohnquartier flexibel einsetzbar. Das bislang realisierte Volumen reicht bislang von wenigen Kubikmetern bis zu ca. 1700 Kubikmetern, bei Großspeichern. Bestenfalls wird er beim Neubau mitgeplant, er kann in den meisten Fällen aber auch problemlos nachgerüstet werden. Die Kosten eines Eisspeichers für ein Ein-/Zweifamilienhaus liegen in der Größenordnung von 10.000 €.
Ein Paradebeispiel für die Leistungsfähigkeit eines solchen Großeisspeichers ist der nur 1680 m3 Wasser fassende, unter einer Grünfläche platzierte Speicher eines Wohnquartiers in Hamburg ( 2 ). Er versorgt 483 Wohnungen mit 75% der benötigten Wärme, die von Solar/Luft-Absorbern auf 430 m2 Dachfläche bereitgestellt wird.
Zum Vergleich: der 205 000 m3 Wasser fassende weltgrößte wassergefüllte Erdbeckenwärmespeicher in Vojens (DK) versorgt 2000 Haushalte mit 45% der benötigten Wärme ( 3 ).
Die viel größere Volumen-Effizienz von Eisspeichern liegt auch daran, dass den Wärmeverlusten von Erdbeckenwärmespeichern im Speicher selbst und in langen Rohrleitungen ein Wärmegewinn von Eisspeichern durch die im Schnitt gegenüber dem Erdreich niedrigere Betriebstemperatur gegenübersteht. Außerdem sorgt die Wärmepumpe für ganzjährige Umweltwärme und reduziert dadurch den durch saisonale Ertragsschwankungen bedingten Speicherbedarf.
Wird eine im vorigen Artikel als Supertrio beschriebene Kombination mit einem Eisspeicher erweitert, so kann sie bei richtiger Dimensionierung aller Komponenten über eine geeignete Steuerung völlige Energieautarkie gewähren, und das komplett CO2-frei.
Das neue Logistikzentrum von IKEA in Wien mit 50 000 m2 Nutzfläche wird durch Solar/Luftabsorber mit zwei Wärmepumpen und eine Grundwasserwärmepumpe mit Photovoltaik in Kombination mit einem Eisspeicher mit 80% der benötigten Energie versorgt. Der Eisspeicher fasst, wie der in Hamburg, 1700 m3. Im Sommer arbeitet das System im Kühlungsmodus. Insgesamt gewinnt dieses Heizsystem 1745 MWh/a an CO2-freier Wärme pro Jahr. Etwa ein Viertel davon wird dem Eisspeicher entnommen ( 4 ).
Ein Eisspeicher verleiht dem idealen Gespann aus Photovoltaik, Solarthermie und Wärmepumpe ein hohes Maß an funktioneller Flexibilität, und das praktisch ohne Flächenverbrauch. Durch seinen Einsatzbereich vom Einfamilienhaus bis zum Wohnquartier und zu Gewerbebauten jeder Größe ermöglicht er maßgeschneiderte Lösungen für die CO2-freie Wärmeversorgung, z.B. in suburbanen Regionen mit Gewerbegebieten wie dem Würmtal.
Durch die Kombination mit Photovoltaik kann eine zumindest weitgehende Energieautarkie erreicht werden. Eine dezentrale Energieversorgung ist resilient gegen größere Störungen der Energieversorgung und gilt daher generell als erstrebenswert. Für die Wärmewende im Würmtal könnte diese Technologie eine wesentliche Rolle spielen.
(1) https://pubdb.bfe.admin.ch
(2) https://www.hamburg.de/wegweiser-clever-kombiniert/15200264/das-eis-ist-heiss/
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