Agri-PV-Anlage Planegg Vorstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 85 mit Umweltprüfung

Grüner Strom ist der zentrale Faktor in der Energiewende, insbesondere im Landkreis München, wo die Fernwärmeversorgung im Prinzip vollständig durch Geothermiekraftwerke sichergestellt werden kann.

Der Nachholbedarf an erneuerbarem Stromanteil ist im Landkreis München enorm: Während dieser Anteil in Bayern bei  58,7%  liegt, beträgt er in unserem Landkreis gerade einmal 19,7 %. Dies liegt hauptsächlich am Fehlen von Wasserkraft und Windkraft, aber auch die die Photovoltaik ist ausbaufähig: Gerade einmal 4,7 % des Strombedarfs im Landkreis werden durch Photovoltaik (PV) erzeugt (1).

Photovoltaik genießt zwar eine relativ hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, aber in   unserem dichtbesiedelten Land muss diese flächenhungrige Technologie in Einklang mit der Landwirtschaft gebracht werden, was meist zu Flächenkonkurrenz führt. Von „Tank-oder-Teller“- Diskussion ist dann die Rede. Der von der Bundesregierung zunehmend begünstigte und geförderte Ausweg ist die Doppelnutzung einer Freifläche durch Ackerbau und Photovoltaik, Agri-PV genannt.

Obwohl schon in den 80er Jahren vom Fraunhofer Institut für solare Energienutzung vorgestellt (2), befindet sich die Entwicklung von Agri-PV in Deutschland erst am Anfang und trägt erst etwa 1 Promille zur Freiflächen-PV-Leistung bei (3). Diese agrarfreundliche Form der Freiflächenphotovoltaik erfreut sich aber bereits hoher Akzeptanz bei Landwirten (4,5).

Die Agri-PV wird in Deutschland vor allem vom Fraunhofer ISE erforscht ( 6), aber auch in der Nähe von München ist eine Versuchsanlage entstanden (7).

Im Bauschuss des Planegger Gemeinderates ist nun der Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplan für eine Agri-PV (APV)-Anlage vorgestellt worden.  

Dieses Verfahren schließt in einem Umweltbericht eine Prüfung nach Kriterien wie Immissionschutz, Naturschutz, Artenschutz, Gewässrschutz usw. ein. Die Prüfung ist in allen Punkten positiv verlaufen.

Dies ist ein Leuchtturmprojekt für den Landkreis, denn es ist die erste Bürger-Agri-PV-Anlage in Bayern und leistungsstärker als die derzeit in Deutschland existierenden Bürger-Agri-PV-Anlagen.

Die Anlage entsteht in Zusammenarbeit mit der Bürgerenergie Unterhaching (8), die Projektentwickler und Betreiber ist. Diese Bürgerenergiegenossenschaft hat große Erfahrung mit Bürger-PV-Anlagen.

Die wichtigsten Fakten zur Anlage:

  • Lage am Rande des aktuellen Kiesgebiets Hochbirket.
  • Derzeit Weizenanbau
  • Fläche 8.5 ha. Davon 87 % landwirtschaftliche Nutzung, Rest Brachfläche mit Modulbestand
  • 17 Modulachsen von ca. 300 m Länge in Längsrichtung des Feldes
  • Durch moderne sensorgesteuerte Nachführtechnik stets optimale Ausrichtung der Module und bis 30% höhere Stromausbeute.
  • PV-Leistung 4,9 MWp (Ausschreibungspflicht ab 6 MW). Jährlicher zu erwartender Strommertrag Ca. 5500 MWh. Das enspricht 44% des Stromverbrauchs der Planegger Haushalte.
  • Bürgerbeteiligung in Form einer Energiegenossenschaft. Anlage projektiert, realisiert und betreut durch die Bürgerenergie Unterhaching (BEU)
  • Mindestbeteiligung 500 €, garantierte jährliche Rendite 3,5%.
  • Durch eine Batterie mit 11,2 MWh Kapazität und 5 MW Leistung Optimierung der Wirtschaftlichkeit
  • Geplante Fertigstellung der Anlage im Herbst 2025

1.) Die Lage

Planegg -Hochbirket. Blauer Kreis: APV-Feld
Karte aus Openstreetmap

Links: Luftaufnahme (Foto Erich Weichelt, Ausschnitt, Screenshot). APV-Feld linke untere Ecke

Rechts: Flächennutzungsplan Planegg, Ausschnitt

Das APV-Feld  liegt – im Gegensatz zu PV-Potentialfläche, Asphaltmischwerk und Kiesgrube  nicht im regionalen Grünzug (hellgrün schraffiert). Ein schmaler Streifen am östlichen Rand (rechts von der gestrichelten Linie) ragt in das Landschaftsschutzgebiet. Der Umweltbericht sieht das aber nicht kritisch. Außerdem bietet die neu geschaffene Brachfläche von ca. 1 ha gegenüber der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung einen deutlichen ökologischen Mehrwert.

Die Anlage ist vollständig von hohem und dichtem Baumbestand umgeben. Dieser bietet Sichtschutz, und daher besteht laut Gutachten auch keine Blendgefahr durch Lichtreflexe, wie sie bei PV-Anlagen auftreten können.

Links: Blick über das APV-Feld Richtung Osten
Rechts: Baumbestand am westlichen Rand des APV-Feldes (Ortsrand Krailling).

2.) Das technische Konzept:

Bei senkrechtem Lichteinfall ist der Ertrag von PV-Modulen maximal. Darauf beruht das Prinzip der Nachführtechnik. Stand der Technik sind an einer drehbaren Achse montierte PV-Module, die der Sonne folgen können.

 

Agri-PV -Anlage, Querschnitt, Blick in Richtung der Modulachsen

Optimierung des Stromertrages durch sensorgesteuerte Nachführtechnik.

Die semitransparenten bifazialen („zwei Gesichter“) Module können auf der Rückseite indirektes Licht verwerten. Die Stromausbeute pro Flächeneinheit ist insgesamt bis zu 30% höher als bei Festwinkelmodulen.

Mit einer vergleichbaren, aber wesentlich kleineren Anlage (0,75 MWp)  in Althegnenberg (9) sind seit 2020 positive Erfahrungen gemacht worden. (10).

Die 17 ca. 300 m langen Modulachsen sind im Abstand von 14 m platziert und erlauben bis zu 60% Neigung. Getragen werden sie in regelmäßigen Abständen durch Rammpfosten, die nur eine minimale Bodenversiegelung verursachen und nach 30 Jahren bei Abbau der Anlage einfach entfernt werden können. 12 m Ackerbreite wechselt sich mit 2 m breiten Blühstreifen ab, die der Artenvielfalt dienen. Bei Regen, Schnee und bei der Ernte werden die Module aufgestellt (60 Grad-Winkel). Die Breite der Ackerstreifen ist an die Breite der Erntemaschine angepasst. Die Aussaatmaschine besitzt mit 3 m genau ein Viertel dieser Breite. Durch diese Abmessungen wird der Betriebsablauf optimiert.

Durch eine 11,2 MWh-Batterie wird die Wirtschaftlichkeit der Anlage optimiert, indem PV-Strom in den verbrauchsarmen, aber ertragsintensiven Mittagsstunden (negativer Strompreis an der Börse!) gespeichert und in den verbrauchsreichen Morgen- und Abendstunden ins Netz abgegeben wird.

Beispiel einer einachsigen Agri-PV-Anlage über einer Gemüsekultur.

3.) Landwirtschaftliche Nutzung

Stark lichtbedürftige Pflanzen wie Mais sind für APV nicht geeignet. Geeignet sind zum Beispiel

Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Sojabohnen, Kürbis, Hanf, Kartoffeln, Salat, Spinat, Ackerbohnen, Zwiebeln, Pflückbohnen, Gurken, Zucchini, Raps, Erbsen, Spargel, Karotten, Rettich und verschiedene Obstsorten

Insbesondere bei Obst und Gemüse kann der Ernteertrag durch APV sogar höher ausfallen als bei konventionellen Referenzanlagen, z.B. bei Kartoffeln oder Äpfeln. Insgesamt verringern die Module die natürlichen jährlichen Schwankungen im Ernteertrag (2).

Der Schattenwurf der PV-Module wirkt sich positiv auf Lufttemperatur, Einstrahlung und den Wasserbedarf aus: Der Schatten führt zu kühleren Tages- sowie wärmeren Nachttemperaturen und höherer Luftfeuchtigkeit als beim traditionellen Anbau Insbesondere in Trockenjahren kann das durch die PV-Module verbesserte Mikroklima zu erhöhten Ernterträgen führen (7).

Mit 13 % Brachfläche wird die Flächenstilllegungsrichtlinie der EU, GLÖZ 8 (11), die 4% fordert, weit übertroffen, was der Artenvielfalt zugute kommt.

4.) Wirtschaftsmodell

Durch Investition in erneuerbare Energieanlagen können Bürger am Erfolg der Energiewende teilhaben. Bürgerenergiegenossenschaften wie die Bürgerenergie Unterhaching haben Erfahrung und das Know-how für Projektierung und Betrieb großer Anlagen. Besonders durch die drastisch gesunkenen Kosten von PV-Modulen sind Photovoltaikanlagen hochrentabel. Auch wenn der Ertrag des PV-Stroms nicht allein den Anteilseignern zugute kommen kann, so bleiben doch 3,5% garantierte Rendite.

Fazit : Vorzüge gegenüber derzeitiger Ackernutzung:

  • Durch Doppelnutzung Flächennutzungsgrad von weit über 100%
  • Steigerung des finanziellen Flächenertrages um ca. das 50-Fache
  • Förderung der Artenvielfalt durch insgesamt 1 ha Brachland
  • Großer Beitrag zum Klimaschutz
  • Verbessertes Mikroklima unter den Modulen
  • Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft
  • Beitrag zur Eigenversorgung der Gemeinde
  • Einnahmen für die Gemeinde durch Beteiligung mit 0,2 Cent/kWh (ca. 50.000 €/Jahr), dazu noch Kapitalerstragssteuer des Eigentümers
  • Beteiligung der Bürgerschaft und Identifikation mit an der Energiewende

Der erste große Schritt hin zur Klimaneutralität von Planegg hat sich weiter konkretisiert.

Quellen

1.

https://formulare.landkreis-muenchen.de/cdm/cfs/eject/gen?MANDANTID=72&FORMID=7443

2.

file:///C:/Users/49151/Downloads/APV-Leitfaden-5.pdf

3.

https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2023/IMPULSPAPIER_Welche_Mehrwerte_kann_die_Agri-PV_fuer_die_Energie-_und_Agrarwende_bieten.pdf

4.

https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2024/mehrheit-der-landwirtinnen-und-landwirte-sieht-agri-photovoltaik-positiv.html

5.

https://www.bauernverband.de/dbv-positionen/positionen-beschluesse/position/agri-photovoltaik

6.

https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2022/auf-landwirtschaftlichen-flaechen-doppelt-ernten-ueberarbeiteter-leitfaden-agri-photovoltaik.html

7.

https://www.tfz.bayern.de/mam/cms08/publikationen/berichte/dateien/tfz-bericht_85_konzept_agri-pv.pdf

8.

https://www.beu-unterhaching.de/

9.

https://www.pv-magazine.de/unternehmensmeldungen/oeko-haus-errichtet-agrophotovoltaik-anlage-in-althegnenberg/

10.

https://www.pv-magazine.de/2024/03/21/erstes-agri-pv-projekt-mit-tracker-in-deutschland-sechs-lehren-aus-vier-jahren-betrieb/

11.

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/EU-Agrarpolitik-Foerderung/merkblatt-gloez8-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=4

 

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