Die Zukunft des Forst Kasten ist immer noch offen – Ein Beitrag von Erich Weichelt aus Planegg

Am 8. Dezember 2021 verkündete der Bayerisches Journalisten Verband (BJV) die Gewinner der Pressefotos Bayern 2021. Die Kategorie „Umwelt und Energie“ habe ich gewonnen. Das Siegerbild (Beitragsbild und Bild unten) stammt aus meiner Serie, die den immer noch andauernden Kampf um den Erhalt des Forst Kasten dokumentieren soll.

Meine Aufnahme zeigt den „Baumbesetzer“ Dr. Ingo Blechschmidt von der Uni Augsburg im Interview mit einer Journalistin des BR, die die Distanz zu ihrem Gesprächspartner engagiert verkürzten möchte. Das Urteil der Jury zu diesem Bild: „Schönes Licht, wunderbar komponiert und dabei herrlich absurd. Ein Bild zum Schmunzeln“.

Zum Hintergrund der Situation:

 

Die Landschaft südlich von München wird seit Jahrzehnten durch Kiesabbau Unternehmen ausgebeutet. Kies, der sich seit der letzten Eiszeit dort befindet, wird aus dem Boden geholt und die entstandenen Gruben werden mit Müll wieder verfüllt.

Ich kenne die inzwischen verschwundene Landschaft und die teilweise nicht mehr existierenden Waldgebiete seit meiner frühesten Kindheit. Während man in den 1970er Jahren noch jeglichen Müll in die Grube schüttete und damit auch gleich das Grundwasser vernichtete, wird seit den 1980er Jahren nur Bauschutt für das verfüllen der Gruben verwendet. Seit den 1990er Jahren sind die Wälder südlich von München stetig von der Abholzung bedroht. Viele Hektar alter Wald und die von der letzten Eiszeit geformte hügelige Landschaft wurden bereits vernichtet. In den heute wieder aufgeforsteten ebenen Flächen scheint auffällig die vorherrschende Pflanze der Riesen-Bärenklau zu sein.
Während der Jahrzehnte lang andauernde Kiesabbau durch die Firma Glück auf den Flächen der Großgrundbesitzer-Familie von Hirsch meist kommentarlos hingenommen wurde, entstand durch den 2017 bekannt gewordenen Beschluss des Münchner Stadtrats nun auch den Forst Kasten anzugehen, erstmals spürbarer Protest aus der Bevölkerung.

Zur Geschichte des Forst Kasten:

 

Vermutlich im Jahr 1208, so überliefern es Quellen aus dem 15. Jahrhundert, stiftet Herzog Ludwig I. von Bayern Vermögen zur Gründung eines Spitals.

Die selbstständige Bruderschaft „vom Heiligen Geist“ führt dieses Spital vor dem östlichen Haupttor der noch jungen Stadt München und kümmert sich um die Versorgung von Pilgern, Kranken und bedürftigen Alten. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war das Spital durch verschiedene weitere Schenkungen bereits vermögend genug, seinen Grundbesitz durch Zukäufe zu vermehren. So erwarb im Jahr 1308 ein Hof mit Waldbesitz in Chastel, der Kern des heutigen Forst Kasten. Dieses Waldgebiet inklusive der bekannten und beliebten Gaststätte mit einem der größten Biergärten Bayerns, ist nun seit über 700 Jahren im Besitz der Heiliggeistspital-Stiftung. Sicherte der Wald damals noch Versorgung des Heiliggeistspitals mit Brennholz, so sicherte er durch seine Bewirtschaftung Jahrhunderte lang die Erlöse der Stiftung. 1922 wurden 98 Prozent der Gesamteinnahmen der Stiftung aus Forsterträgen aufgebracht.
Während und nach den beiden Weltkriegen haben enormen Übernutzungen dem Forst großen Schaden zugefügt. Große Kahlflächen wurden unter schwierigen Bedingungen hauptsächlich von Frauen wieder aufgeforstet. Die Stiftungsverwaltung hat, wenn es um forstwirtschaftliche Entscheidungen ging, immer vorausschauend gedacht und nicht nach kurzfristigen Erlösen geschielt. Der ist Forst Kasten Naturland/FSC-zertifiziert, was der höchste Standard in nachhaltiger Forstwirtschaft ist, Und obwohl man noch vor gut 10 Jahren so stolz verkündete: „der Forst Kasten steht besser da als die meisten vergleichbaren Wälder“, entschied man sich wenig später doch, einen großen Teil des Forst Kasten zugunsten der Kiesgewinnung (im doppelten Sinne) zu vernichten.
Im Mai 2021 entsteht im Wald eine über Wochen von Aktivisten ständig besetzte und von Anwohnern unterstützte Mahnwache.

Am 18. Mai besetzen Klimaaktivistinnen und Naturschützer Bäume in Teilen des Waldes und bauen dort Baumhäuser um gegen den Kiesabbau und das Abholzen zu protestieren.

Am 20. Mai 2021 bestätigt ein Gremium die umstrittene Entscheidung des Münchner Stadtrates, im Forst Kasten den Kiesabbau zu ermöglichen. Obwohl sich nun eine Mehrheit der Münchner Stadträte gegen den geplanten Kiesabbau ausspricht, darf das Gremium laut der Regierung von Oberbayern die laufende Ausschreibung nicht zurückziehen. Hintergrund sind laut der Regierung von Oberbayern rechtliche Gründe. So könnten die Stadtratsmitglieder von den sich bewerbenden Unternehmen persönlich haftbar gemacht werden können. Während die Münchner Rot/Grüne Regierungskoalition sich geschlossen für die Auskiesung entscheiden, stimmen ÖDP und Linke im Münchner Rathaus dagegen.

Diese Entscheidung verstärkt nicht nur die Proteste gegen dieses Vorhaben – der Forst Kasten genießt nun erstmals wirklich große mediale Aufmerksamkeit.
Am 19. Juni 2021, knapp vier Wochen nach der ersten Baumbesetzung in Bayern, klettern wieder Aktivisten auf Bäume und errichten provisorische Baumhäuser. Während die erste Räumung noch friedlich und respektvoll abgewickelt wurde, gibt es diesmal verletze Demonstranten und beleidigte Polizisten.
Ein Aktivist verbringt eine Woche in U-Haft – wegen Beleidigung eines Beamten.

Die Zukunft des Forst Kasten ist immer noch offen.“

 

Ergänzung der Redaktion des OV Planegg/Martinsried:

 

Zur Ergänzung möchten wir noch hinzufügen, dass die Entscheidung der Münchner Rot-Grünen Stadtratsfraktion unter dem Damoklesschwert möglicher hoher Schadenersatzforderungen der Kiesfirma gefällt wurde. Als Räte der Heiliggeiststiftung, dem betroffenen Grundeigner in Forst Kasten, sind diese prinzipiell verpflichtet, zum Wohle der Stiftung zu entscheiden.

Ein solcher Interessenkonflikt ist u.E. verfassungsrechtlich höchst bedenklich!

Es sollte auch noch erwähnt werden, dass es auch für den Lochhamer Schlag in Gräfelfing Pläne zum Kiesabbau im Wald gibt.
Wir haben auf unserer Website

https://gruene-planegg.de/2019/10/17/drohende-konzentration-der-kieswirtschaft-im-wuermtal/

bereits dargelegt, dass die Dichte von Kiesgruben im nördlichen Würmtal bereits ungewöhnlich hoch ist. Durch eine Auskiesung im Lochhamer Schlag wäre ein weiteres, stark frequentiertes Naherholungsgebiet schwer betroffen. Mit Sicherheit würde eine Realisierung ebenso massiven Widerstand wie in Forst Kasten hervorrufen.

FOTO uns TEXT von Erich Weichelt aus Planegg

 

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