Wärmewende in Planegg: Hoffnungsträger Tiefengeothermie

Bedingt durch die politischen Ereignisse und den zwischenzeitlich enorm gestiegenen Gaspreis sowie durch die Aussicht auf ein Heizungsgesetz, das früher oder später einen Anteil der Erneuerbaren Energien an der Wärme von 65% fordert, ist die Frage in den Fokus gerückt, wie wir zukünftig heizen.

Besonders im Landkreis München, der europäischen Hochburg der hydrothermalen Tiefengeothermie, im Folgenden einfach Geothermie genannt, ist die für Heizzwecke bestens geignete Erdwärme, die aus mindestens 80 Grad heißem Thermalwasser gewonnen wird, ein großer Hoffnungsträger.

Regional ist die Geothermie aus einem langjährigen Nischendasein erweckt worden, und es ist nun zu Recht von einem Wärmeschatz die Rede, auf dem wir sitzen. Der muss allerdings erst einmal gehoben und über Fernwärmenetze verteilt werden, und das ist teuer und zeitaufwändig.

Der Aufwand dürfte sich aber lohnen, denn geothermische Wärme ist kostenlos, in menschlichem Maßstab unerschöpflich und das ganze Jahr unabhängig von Wetter und Tageszeit gleichmäßig verfügbar. Sie ist verlustfrei in der Tiefe gespeichert, und ihre Gewinnung verbraucht kaum Fläche. Sie hat den größten CO2-Vermeidungsfaktor aller Varianten erneuerbaren Wärme, und die Versorgungssicherheit ist hoch.

Vor diesem Hintergrund fragen sich nun viele Hauseigentümer in Planegg, ob und wenn ja, wann denn geothermische Fernwärme für Planegg zur Verfügung stehen könnte. Wir möchten in diesem Artikel über die aktuelle Perspektive einer geothermischen Fernwärmeversorgung von Planegg berichten.

Geothermie im Würmtal

Im Würmtal wird es in absehbarer Zeit Tiefengeothermie und damit prinzipiell die Option einer Fernwärmeversorgung geben. In Gräfelfing soll 2024 mit den Bohrungen begonnen werden und um die Jahreswende 2024/2025 der Bau von Heizzentrale und Fernwärmenetz beginnen (1). Auch in der Nähe von Gauting wird eine Geothermieanlage entstehen. Für das zweite Quartal 2026 wird dort mit einer ersten Wärmelieferung gerechnet (2).

Für Planegg wird die Möglichkeit der Errichtung eines Fernwärmenetzes, das durch geothermische Wärme von einem regionalen Kooperationspartner gespeist wird, derzeit geprüft. Dafür kommen neben den zukünftigen Geothermieanlagen in Gräfelfing und Gauting die IEP Pullach und die Stadtwerke München (SWM) in Frage, wobei eine Zusammenarbeit mit mehr als einem Partner denkbar ist. Eine Kooperation mit der angrenzenden Gemeinde Gräfelfing wäre naheliegend, ist aber keineswegs zwingend. Für Gauting und Gräfelfing existieren bereits Netzausbaupläne. Sowohl Pullach als auch die SWM planen einen starken Ausbau ihrer Geothermiekapazität durch weitere Bohrungen.

Für die Gewinnung eines Kooperationspartners wird es eine wesentliche Rolle spielen, wie der (geplante) Ausbaustand der betreffenden Geothermieanlagen ist. Bei reger Nachfrage nach geothermischer Fernwärme reicht eine Förderbohrung mit zugehöriger Rückfürbohrung zu einem Thermalwasserkreislauf, man spricht von einer „Dublette“, nicht einmal für eine Gemeinde mit einer Größenordnung von 10.000 Einwohnern. Für den Geothermiestandort Gauting wird vom Betreiber auf lange Sicht mit vier bis fünf Dubletten gerechnet (2), für Gräfelfing ist zumindest eine zweite Dublette im Gespräch.

Wichtige Faktoren eines Fernwärmenetzes

  1. Zeithorizont

Das Ausbautempo einer Fernwärmeleitung liegt bei 200-250 m im Monat. Das weitgehend vollständig ausgebaute Netz der mit den Würmtalgemeinden strukturell und nach Einwohnerzahl vergleichbaren Gemeinde Grünwald misst rund 100 km. Der Netzausbau wird gewöhnlich mit der Nachfrage koordiniert. Wenn eine Gemeinde mit dieser Siedlungsstruktur überhaupt allen Bürgern Fernwärmeversorgung anbietet, dann wird es es etliche Jahre dauern, bis alle Interessenten angeschlossen sind.

  1. Kosten

Ein Fernwärmenetz kostet etwa 1 Mio € pro km. Die Gemeinde Grünwald hat rund 100 Mio. € in ihr Wärmenetz investiert. Auch die Investitionskosten für ein Geothermiekraftwerk samt Bohrungen sind mit rund 50 Mio € sehr hoch. Zwar besteht die Möglichkeit einer Förderung nach BEW, die bislang bundesweit bereitgestellten Fördergelder sind aber auf 3 Milliarden € begrenzt. Je nach Politik des Betreibers führen die hohen Investitonskosten mehr oder weniger dazu, dass die Refinanzierung sich auf die Preise für geothermische Wärme auswirkt.

  1. Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit von Fernwärme hängt stark von der Wärmebezugsdichte ab. Wegen der Investitionskosten in das Netz und wegen Wärmeverlusten von rund 15% ist Fernwärme umso wirtschaftlicher, je mehr Wärme pro Anschluss verteilt werden kann und je geringer die Trassenlänge zwischen zwei Anschlüssen ist.

Generell sind große Mehrfamilienhäuser daher besonders gut für Fernwärme geeignet, weil hier hundert oder mehr Wohnungen mit einem Anschluss versorgt werden können. Einfamilienhausgebiete sind dagegen weniger (Reihenhäuser) oder nicht gut (freistehende Häuser) geeignet. Daher kann es passieren, dass Teile einer Ortschaft auch wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Je nach Attraktivität der finanziellen Konditionen kann die lokal erzielbare Anschlussquote deutlich unter 100% liegen, denn im Wohnungsbestand gibt es keinen Anschlusszwang, und es gibt vor allem in Einfamilienhausgebieten starke Konkurrenz durch andere Heizungstechnologien wie die Wärmepumpenheizung und ihre Hybridvarianten. Wieviel der zahlreichen Besitzer erst wenige Jahre alter Gasthermen bereit sein werden, ist schwer zu prognostizieren, aber zweifellos durch finanzielle Anreize zu beeinflussen und sicher auch vom Gaspreis abhängig.

  1. Ist die flächendeckende Versorgung mit Geothermie Daseinsvorsorge?

Wenn eine Gemeinde für sich diese Fage mit „ja“ beantwortet und eine so starke Finanzkraft hat, dass sie Kosten von über 100 Millionen € plus rund 50 Mio. für eine Geothermieanlage ohne weiteres stemmen kann, dann spielt die Wirtschaftlichkeit eine untergeordnete Rolle und damit auch die Siedlungsstruktur. Die Gemeinde Grünwald ist ein – seltenes! – Positivbeispiel. Auch eine starke Erhöhung der staatlichen Förderung, wie sie die Grünen im Landkreis gefordert haben, könnte in strukturell weniger geeigneten sowie weniger finanzkräftigen Gemeinden geothermische Fernwärme ermöglichen.

Die strukturellen Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Fernwärmenetz sind nach den jahrzehntelang gängigen Kriterien für keine Würmtalgemeinde gut, da die für Wirtschaftlichkeit erforderliche Wärmebezugsdichte im Prinzip nur in einer urbanen Siedlungsstruktur gegeben ist.

Durch den Paradigmenwechsel bei der Energieversorgung, der durch Klimaschutzanforderungen, neue Gesetzgebung und das Bedürfnis nach Versorgungssicherheit eingeleitet worden ist, gibt es jedoch derzeit allgemein ein stark gestiegenes Interesse der Kommunen an der Errichtung von Fernwärmenetzen. Entscheidend für deren Verbreitung und für konkurrenzfähige Preise dürfte der Umfang staatlicher Förderung sein.

Strukturelle Voraussetzungen für Fernwärme in Planegg.

Wie in den meisten Gemeinden im Landkreis München besteht der Wohngebäudebestand in Planegg zu mehr als 80% aus Ein- und Zweifamilienhäusern. Es gibt im Hauptort nur wenige goße Wohnanlagen, die prädestiniert für Fernwärme sind. Alllerdings wohnen rund zwei Drittel der Bevölkerung in Mehrfamilienhäusern.

Das weitgehend urban strukturierte Martinsried wird dagegen von den SWM zu etwa 80% mit Fernwärme versorgt, die allerdings noch zu etwa 80% fossil ist. Gegenwärtig gibt es laut Auskunft der SWM in Martinsried für Privatkunden keine Perspektive für einen Fernwärmeanschluss, obwohl es seit rund 40 Jahren auch in den Einfamilienhausgebieten ein Netz der SWM gibt.

Die Wärmebezugsdichte ist das wichtigste Maß für die Wirtschaftlichkeit von Fernwärme. Je höher sie ist, desto attraktiver ist ein Gebiet für Fernwärmebetreiber und desto größer ist gewöhnlich auch das Interesse an Fernwärme.

Wärmebezugsdichte von Planegger Wohnquartieren. Der Ortsteil Martinsried ist bereits weitgehend durch Fernwärme erschlossen und daher nicht berücksichtigt. Die Zuordnung erfolgte auf Grundlage der Siedlungsstruktur. Die rot schattierten Gebiete umfassen Gebiete von überwiegend freistehenden Einfamilienhäusern, die gelben Gebiete überwiegend Reihenhäuser, blaue Gebiete Mehrfamilienhäuser unterschiedlicher Größe und violett schattierte Gebiete Mehrfamilienhausquartiere/Hochhäuser/ Wohnanlagen sowie das Gewerbegebiet, in denen eine hohe Wärmebezugsdichte vorliegt. Das Gewerbegebiet in Steinkirchen ist ein Großverbraucher. Dessen Wärmebedarf beträgt rund ein Drittel des gesamten Bedarfs der Gemeinde.

 

Die Karte zeigt, dass der überwiegende Teil von Planegg für Fernwärmebetreiber, die die Investitionskosten in Geothermieanlage und Netz refanzieren wollen/müssen, im Prinzip wenig attraktiv ist, wenn auch die Bedingungen günstiger sind als in Gräfelfing. Dort gibt es nämlich im Gegensatz zu Planegg nur einen sehr geringen Reihenhausanteil an den Ein/Zweifamilienhäusern, was zu einer deutlich geringeren Wärmebezugsdichte führt.

Die Wärmebezugsdichte ist allerdings kein alleiniges Kriterium für die Wirtschaftlichkeit von Fernwärme, da auch – kurze – Abzweigungen von einer Haupttrasse zu mehreren Kleinverbrauchern den Gesamtwärmeumsatz erhöhen und daher für Betreiber interessant sein können. Davon könnten Wohnquartiere östlich der Würm profitieren, die in der Nähe der strukturell günstigeren Quartiere liegen.

Aktuelle Perspektive für geothermische Fernwärme in Planegg

Die Gemeinde Gräfelfing ist daran interessiert, das Planegger Gewerbegebiet Steinkirchen mit Fernwärme zu erschließen (3 ). Das wäre für den Betreiber lukrativ, weil auf kurzer Trassenlänge mit rund 20 Anschlüssen ein sehr hoher Wärmeabsatz getätigt werden könnte. Es gibt aber noch keinerlei Kooperationsvereinbarungen mit der Gemeinde Planegg. Da es in Planegg bereits etliche Interessenten für einen Fernwärmeanschluss gibt, muss es im Interesse der Gemeinde liegen, nicht nur das „Filetstück“ Steinkirchen versorgen zu lassen.

Die Geothermiegesellschaft Gräfelfing hat im Frühjahr 2023 im Zuge der Herausgabe von Vorverträgen ein Preisblatt veröffentlicht ( 4 ). In der folgenden Abbildung wurden die Wärmekosten für verschiedene Jahreswärmeverbrauchswerte und für vier Landkreisgemeinden mit vergleichbarer Siedlungsstruktur verglichen. Sie beinhalten die jährlichen Verbrauchskosten und Fixkosten. Daher hängt der Wärmepreis pro Kilowattstunde zum einen vom jährlichen Verbrauch, zum anderen aber auch von der Fixpreispolitik des Betreibers ab. Je höher die Fixkosten und je niedriger der individuelle Verbrauch pro Anschluss, desto höher die effektiven Wärmepreise pro Kilowattstunde.

Vergleich der effektiven Fernwärmepreise pro kWh für vier Geothermiestandorte im LK München und für jeweils vier verschiedene Jahresverbrauchswerte, die das Spektrum für Einfamilienhäuser unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen energetischer Standards abdecken. Der Berechnung liegt eine typische Volllaststundenzahl von 1950 h/a zugrunde ( 5 ).Die Preise wurden aus den Daten der jeweiligen Preisblättern der Betreiber (4,6,7,8) berechnet. Bei der Berechnung der effektiven Wärmekosten wurden die jährlichen Fixkosten berücksichtigt, nicht aber die einmaligen Anschlusskosten. Diese liegen für ein typisches Einfamilienhaus zwischen 3210 € in Grünwald und 17.200 € in Gräfelfing.
Aschheim steht hier für das interkommunale Projekt von Aschheim, Feldkirchen und Ismaning (Betreiber AFK).

Zur Einordnung der Wärmepreise:

  • Der Gaspreis liegt bei rund 8 Cent/kWh (Stand August 2023)
  • Der Wärmepreis für eine Wärmepumpenheizung liegt für eine Jahresarbeitszahl von 3,5 bei etwa 8,5 Cent/kWh (Stand August 2023)
  • Der durchschnittliche jährliche Wärmeverbrauch pro Haushalt liegt in Planegg bei ca. 11000 kWh.

In Mehrfamilienhäusern mit nur einem Anschluss im Gebäude verringern sich vor allem die einmaligen Anschlusskosten pro Haushalt. Ansonsten liegen die effektiven Wärmepreise auch in großen Mehrfamilienhäusern in etwa beim dem Wert, der den gelben Balken (30 kW Anschlussleistung) in der Abbildung entspricht.

Aus dem Balkendiagramm geht hervor, dass bei einem jährlichen Wärmeverbrauch in der Größenordnung von 10.000 kWh und darunter Fernwärme zu Gräfelfinger Preisen besonders teuer ist, während in Grünwald der Wärmepreis pro kWh nahezu verbrauchsunabhängig ist. Dadurch wird in Grünwald Energieeinsparung durch Nutzerverhalten oder energetische Sanierung begünstigt, da die Gesamtwärmekosten pro Jahr für die Nutzer für alle in gleichem Maße wie der Verbrauch sinken.

In der Gräfelfinger Preisgestaltung profitieren Nutzer mit relativ niedrigem Verbrauch wegen des Mindestanschlusswertes von 12 kW durch Energieeinsparung kaum, da die Gesamtwärmekosten für sie größtenteils aus Fixkosten bestehen.

In Planegg gibt es viele Reihenhäuser mit 90-120 qm Wohnfläche, für die ein Wärmebedarf von rund 8000-12.000 kWh und somit 4-6 kW Anschlussleistung normalerweise ausreichen sollten. Für alle Einfamilienhausbesitzer stellt sich außerdem die Frage, ob sie die hohen Anschlusskosten von mindestens 17.200 € (4) tragen wollen, die vom Gräfelfinger Geothermiebetreiber aufgerufen werden.

Fazit:

  • Auf Grund der Siedlungsstruktur (überwiegend Einfamilienhäuser) sind Würmtalgemeinden wie Planegg überwiegend nicht für Fernwärmenetze prädestiniert.
  • Es wird einige Jahre dauern, bis zumindest in Teilen von Planegg geothermische Fernwärme verfügbar ist.
  • Einfamilienhäuser sind bei der Preisgestaltung der Fernwärmebetreiber wegen relativ hoher Fixkosten mehr oder weniger stark benachteiligt.
  • Auch weil zwar rund 80% der Gebäude Ein-/Zweifamilienhäuser sind, etwa zwei Drittel der Bevölkerung aber in Mehrfamilienhäusern wohnen, ist ein Fernwärmenetz für die Wärmewende in Planegg unverzichtbar.

Quellen

  1. https://www.geothermie-graefelfing.de/
  2. https://www.gauting.de/fileadmin/gauting-online/Dateien/downloads_pdf/Leben_in_Gauting/Energie_Umwelt/Energie/Geothermie/Praesentation_Geothermie_Gauting_180723.pdf
  3. https://www.merkur.de/lokales/wuermtal/graefelfing-ort28743/geothermie-projekt-nimmt-form-an-92062903.html
  4. https://www.geothermie-graefelfing.de/sites/default/files/Vorvertrag%20-%20Anlage%202%20-%20Preisblatt%20Stand%2008-2023.pdf
  5. https://www.heizung.de/ratgeber/diverses/volllast-und-teillast-einer-heizung.html
  6. https://afk-geothermie.de/wp-content/uploads/2022/05/28.04.2022_Anlage-3_Preisblatt-AFK-2021-ms.pdf
  7. https://www.erdwaerme-gruenwald.de/Startseite/Fuer-unsere-Kunden-Interessenten/Preisgestaltung/Waermepreise/E1135.htm
  8. https://iep-pullach.de/wp-content/uploads/2023/05/202305_Anlage-2_Preisblatt-2022-2023-Vertragsabschluss-ab-2016.pdf
  9. https://gruene-planegg.de/2021/06/14/energiewende-in-der-gemeinde-3-4-waermewende/

Titelbild: Geothermieanlage der IEP in Pullach

 

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