Wärmewende im Würmtal (4): Was sind Planeggs mögliche Optionen für Fernwärme aus Tiefengeothermie?

Zusammenfassung

Die hydrothermale Tiefengeothermie im europäischen Hotspot  südlich von München ist unter allen Quellen großer Mengen erneuerbarer Wärme in puncto Ökologie , Ökonomie und Leistungsfähigkeit konkurrenzlos. Dort sind mehrere neue Geothermieanlagen geplant. Für die Gemeinde Planegg kommen als zukünftige Versorger mit geothermischer Fernwärme drei Standorte in Frage, nämlich Gräfelfing, Gauting-Ost sowie Pullach mit den Erweiterungen Pullach-Süd und  Baierbrunn. Da die Thermalwasser führende Tiefenschicht, der Malm, von Gräfelfing aus in südöstlicher Richtung stark abfällt, wobei die Wassertemperatur zwischen Gräfelfing und dem Isartal bei Pullach-Süd pro Kilometer um rund 3 Grad zunimmt, ist die erwartbare thermische Leistung pro Bohrdublette für die drei geplanten Anlagen sehr unterschiedlich. Höhere thermische Leistung bedeutet geringere Wärmegestehungskosten und höhere Kapazität, und das bedeutet wiederum bessere Wirtschaftlichkeit. Da die Würmtalkommunen auf Grund ihrer aufgelockerten Siedlungsstruktur für Fernwärmenetze nur mäßige Bedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb bieten, spielt dieser Faktor eine besonders wichtige Rolle. Da die seit 20 Jahren etablierte IEP Pullach im europäischen Hotspot der hydrothermalen Tiefengeothermie  mit bis zu 170 MW aus fünf Dubletten beispiellos expandiert und die bei weitem geringsten Wärmegestehungskosten zu erwarten hat, muss sie als attraktivster und aussichtsreichster Kandidat für eine zukünftige Versorgung Planeggs mit Fernwärme gelten.

Wir haben schon in vorangegangenen Beiträgen (1, 2, 3) betont, dass insbesondere der südliche Landkreis München als europäischer Tiefengeothermie-Hotspot einzigartige Chancen für die Wärmewende bietet und die Geothermie für Fernwärme erste Wahl ist. An vielen Standorten in der Region sollen neue Kraftwerke oder Erweiterungen von Bestandsanlagen entstehen. Welche Chancen bieten sich nach fundamentalen Gesichtspunkten für eine Fernwärmeversorgung von Planegg?

Vorhandene Geothermieanlagen im Landkreis kommen mit ihrer aktuellen Auslastung und Ausstattung schon mangels Kapazität nicht als Energielieferanten in Frage. Es sind jedoch an verschiedenen Standorten bis zu drei neue Förderkreisläufe geplant, mit jeweils einer Förder- und einer Rückführbohrung, zusammen Dublette genannt. Die Stadtwerke München (SWM) planen zwar mehrere Geothermiestandorte oder Erweiterungen von Standorten im Landkreis und in München selbst, aber als „Energiesauger“ mit enormem Bedarf für München kommen sie als Versorger für Planegg  mit geothermischer Wärme wohl nicht in Frage. Außerdem zeigt u.a. die Wärmeplanung für München (4), dass die SWM sehr hohe Ansprüche an die Wärmeabnahmedichte stellen.

Für unsere Gemeinde kommen grundsätzlich drei mögliche Partner in Betracht, die neue Geothermieanlagen in ausreichender Nähe errichten wollen:

  1. Geothermie Gräfelfing (1- 2 Dubletten, Bohrungsbeginn 2025)
  2. Geothermie Gauting (möglicherweise 1-2 Dubletten in Gauting-Ost)
  3. Innovative Energie Pullach (Bestandsanlage, dazu 5 zusätzliche Dubletten an zwei Standorten, Bohrungsbeginn 2025).

Wegen der hochvariablen geologischen Verhältnisse südlich von München und daraus resultierenden großen Unterschieden in der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit von Geothermiestandorten ist eine fundamentale Betrachtung wichtig.  Das umfangreiche Gutachten der Geothermieallianz Bayern zum Masterplan Geothermie (5) liefert hierfür eine solide Datenbasis.

Tiefengeothermie für das Würmtal: Auf die thermische Leistung der Anlage kommt es an!

Fernwärme gilt als ideale Wärmeversorgung für dicht bebaute Siedlungsräume. Da die Wirtschaftlichkeit einer Fernwärmeversorgung für weniger dichte, suburbane Siedlungsstrukturen wie die der Würmtalgemeinden nach gängigen Kriterien aber generell als grenzwertig gilt, kommt den Wärmegestehungskosten eine besondere Bedeutung zu. Im Grunde geht es darum, dass die – generell  hohen – Investitionskosten in die Energieinfrastruktur durch den Verkauf von Wärme bei wirtschaftlichen und konkurrenzfähigen Preisen refinanziert werden müssen. Es gilt:

Je höher die thermische Leistung und je größer der Wärmeumsatz, desto wirtschaftlicher die Geothermieanlage und damit auch die Fernwärmeversorgung. Eine höhere thermische Leistung ermöglicht einen größeren Wärmeumsatz. Daher ist die thermische Leistung das entscheidende Kriterium für die Attraktivität und Leistungsfähigkeit eines Geothermiestandortes.

Da der Untergrund südlich von München weitgehend 3D-seismisch charakterisiert ist und viele Bestandsanlagen und frühere Bohrungen nach Gas mit Vergleichsdaten vorhanden sind, und da das Fündigkeitsrisiko im südlichen Landkreis München erfahrungsgemäß sehr gering ist, kann man für zukünftige Bohrungen recht zuverlässige Voraussagen bezüglich der Wärmegestehungskosten treffen.

Geothermieschlaraffenland Molassebecken: Der Malm, geologischer Wärmeschatz südlich der Donau

Der Malmkarst, eine poröse, wasserführende Schicht, kann durch Tiefenbohrungen angezapft werden. Nachdem dem heißen Thermalwasser Wärme entzogen worden ist, wird es in einem Kreislauf in den Malm zurückgeführt, wo es wieder die dort herrschende Temperatur annimmt.

Tiefengeothermie im Malm südlich von München. Die etwa 400 m mächtige Malmkarstschicht fällt vom Westen Münchens aus in südöstlicher Richtung ab, wobei die Thermalwassertemperatur zunimmt. Beispielhaft  sind 4 der 12 Geothermieanlagen im Landkreis München sowie die SWM-Anlage in München-Freiham und die südlichste Anlage der Region in Holzkirchen mit Wassertemperaturen eingezeichnet.

Mit zunehmender Tiefe nimmt die Temperatur des Thermalwassers zu, und damit dessen nutzbarer Energieinhalt.

Geplante Geothermiestandorte in der Nähe von Planegg. Rot: Neue geplante Geothermiestandorte, die für Planegg als Partner in Frage kommen.

Aus den vorhandenen umfangreichen Daten wurde die Temperaturverteilung im Malm prognostiziert und im Rahmen des  Gutachtens zum Masterplan Geothermie in Form von Isothermen dargestellt (5).

Temperaturverteilung im Malm. Standorte, die für Planegg als Partner in Frage kommen in Hellblau. Bestandsanlagen in Rot. Temperaturdaten aus (5)

Im südlichen Teil des Landkreises sind die Isothermen bauchig Richtung Norden verschoben, so dass die 120°C – Linie bis an den südlichen Stadtrand von München reicht. Dadurch schließt sich an das Stadtgebiet im Süden eine Thermalwasser-Hochtemperaturzone an. Gerade in dieser Zone mit sieben Standorten sind auch die hydraulischen Gegebenheiten im Untergrund beonders günstig, was hohe Förderraten (Schüttungen) von bis zu 140 Liter/Sekunde (statt normalerweise 80-100 L/sec)
ermöglicht (5).

Diese spezielle geologische Konstellation im Malm südlich von München hat drastische Auswirkungen auf die erwartbare thermische Leistung der drei hier betrachteten zukünftigen Geothermieanlagen, denn die 90 °C-Isotherme und die 120°C-Isotherme liegen zwischen Gräfelfing und Pullach-Süd nur knapp 10 km auseinander. Auf dem Weg von Gräfelfing über Neuried, Forstenried und Solln ins Isartal steigt die Thermalwassertemperatur im Schnitt also um 3 Grad pro km. Bei gleicher Schüttung macht ein Anstieg von 90 auf 125 °C etwa eine Verdopplung der thermischen Leistung aus. Wegen der besonders hohen Schüttungen im Hotspotbereich bedeutet das nahezu eine Verdreifachung der Leistung.

In der Studie der Geothermieallianz Bayern (5)  wurde die Region in ein Raster hexagonaler Parzellen unterteilt und für jede Parzelle die Wärmeleistung pro Dublette prognostiziert.

Geothermische Wärmeleistung bei mehr als 90°C Thermalwassertemperatur. Prognostizierte Wärmeleistung für Parzellen von ca. 7 km2 mit jeweils einer Dublette. Im Norden wird das Parzellenfeld durch die 90°C-Isotherme (blau) begrenzt. Diese Temperatur gilt als generell ausreichend für direkte Heizung per Fernwärme. Hellblaue Punkte: Geplante Anlagen; Rote Punkte: Bestandsanlagen; Thermische Leistung von Bestandsanlagen in Rot. Weitestgehend für Stromerzeugung genutzte Anlagen in Pink. Zugehörige theoretische Wärmeleistungswerte (in Pink) errechnet aus jeweiliger Temperatur und Schüttung.
Daten zu Leistungswerten ausschnittsweise entnommen aus (5), Abbildung im Stil nachempfunden. Richtigkeit nach bestem Wissen und Gewissen.

Die dunkelgrün gefärbte Zone stellt mit sieben leistungsstarken Standorten den absoluten Hotspot für hydrothermale Tiefengeothermie in Europa dar. Die Leistungswerte von Dubletten liegen dort sogar durchweg deutlich über den jeweiligen wissenschaftlichen Prognosen (siehe Farbskala).

Von München-Freiham im Norden ( 13 MW, siehe Abbildung) bis zum Hotspotkernbereich im Südosten des Landkreises steigt die thermische Leistung pro Dublette auf etwa das Dreifache!

Prognostizierte Wärmegestehungskosten. Die Standorte Gräfelfing, Gauting-Ost und Pullach/Pullach-Süd/Pullach-Baierbrunn liegen in drei verschiedenen Kostenzonen.  Parzellendarstellung wie in der vorigen Abbildung. Datenquelle ebenfalls (5). Genauigkeit nach bestem Wissen und Gewissen.

Kriterien für eine Geothermie-Partnerschaft:

1. Wärmeleistung

Auf Basis der vorliegenden Daten lässt sich die thermische Leistung für die drei Standorte anhand vorliegender Daten wie folgt abschätzen:

Gräfelfing 14-16 MW pro Dublette (1-2 Dubletten)

Gauting-Ost 17-19 MW pro Dublette (1-2 Dubletten)

Pullach bis 170 MW (Schätzung des Betreibers (7), neue Standorte P.-Süd und P.- Baierbrunn, insgesamt 5 Dubletten)

2. Wärmeleistungsbedarf

Der Eigenbedarf (alle Werte inkl. Leitungsverluste, bei 1800 Volllasstunden/Jahr) von Planegg liegt, bei 75% Versorgungsquote, geschätzt bei etwa 35 MW ohne Martinsried, das von den SWM konventionell mit Fernwärme versorgt wird. Die Gemeinde Gräfelfing hat, nach Daten aus (6) geschätzt, einen Eigenbedarf von etwa 70 MW und würde selbst mit drei Dubletten den Eigenbedarf auf dem Versorgungsniveau von 75% wohl kaum decken können. Sollte der Standort Gauting-Ost realisiert werden, dürfte ein erheblicher Eigenbedarf für Gauting bestehen, da der Standort Gauting-West den Bedarf von Gauting, Gilching und Weßling mit zusammen fast 50.000 Einwohnern (geschätzter Bedarf ungefähr 150 MW bei 75% Anschlussquote) selbst mit drei Dubletten nicht annähernd wird decken können. Pullach dagegen könnte im Falle einer Partnerschaft eine für Planegg mit Sicherheit ausreichende Wärmeleistung anbieten.

3. Wirtschaftlichkeit

Da die Wärmegestehungskosten in Pullach mit Erweiterungen aller Voraussicht nach bei weitem am geringsten sein werden, bestünde für Planegg die beste Aussicht auf eine – bei akzeptablen Preisen – wirtschaftlich  zu bestreitende Fernwärmeversorgung.

4. Erfahrung des Betreibers

Pullach ist der Einzige der drei betrachteten Standorte mit einer Bestandsanlage.

Die IEP Pullach ist seit 20 Jahren einer der renommiertesten Geothermieanlagenbetreiber.

5. Entfernung

Der Standort Gräfelfing liegt ca. 1,5 km entfernt von Planegg, Gauting-Ost 5,5 km, Pullach 8,5 km. Allerdings spielt dieser Faktor angesichts von kommunalen Wärmenetzlängen von 50 km und mehr eine untergeordnete Rolle. Die SWM wollen z.B. den 25 km entfernten neuen Standort Sauerlach mit einer Fernleitung an München anbinden. Im Gutachten zum Masterplan Geothermie (5) werden Entfernungen von Wärmequelle zu Wärmesenke (also Verbraucher) von bis zu 20 km angenommen. Für Pullach würde außerdem eine Wärmeleitung ins Würmtal im Süden von München an mehreren Wärmesenken vorbeiführen, die noch nicht mit Fernwärme versorgt sind, was die Effizienz steigern würde.

Fazit

Von den drei betrachteten in Frage kommenden zukünftigen Partnern von Planegg bei der Versorgung mit geothermischer Wärme erscheint der Standort Pullach mit seinen Erweiterungen nach fundamentalen Erwägungen als der mit Abstand am besten geeignete.

Quellen

  1. https://gruene-planegg.de/2023/11/29/energiewende-1-mit-welchen-energiequellen-kann-die-gemeinde-planegg-klimaneutral-werden/
  2. https://gruene-planegg.de/2023/09/13/waermewende-in-planegg-hoffnungstraeger-tiefengeothermie/
  3. https://gruene-planegg.de/2024/02/02/energiewende-im-wuermtal-2-warum-ist-tiefengeothermie-die-weitaus-bessere-option-als-freiflaechen-solarthermie/
  4. https://geoportal.muenchen.de/portal/waermeplan/#
  5. https://geothermie-allianz.de/wp-content/uploads/2022/09/Gutachten-Masterplan-Geothermie-Bayern.pdf
  6. https://www.landkreis-muenchen.de/fileadmin/user_upload/THG-Bericht-2022.pdf
  7. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/geothermie-landkreis-muenchen-kfw-versicherung-munich-re-lux.WY4TraB79FsZoLLwi2ALCC

 

Verwandte Artikel